Carlos Ferrer

So etwas sagt man nicht!

Schwarzes Schaf: Installation im Museum für Kommunikation in Frankfurt a. M. (Foto: Carlos Ferrer)

Manchmal höre ich die Worte:

"Aber Herr Pfarrer, so etwas von ihnen?"

Sie geben zu denken: Was darf noch gesagt werden, auch wenn es die Wahrheit ist? Auch wenn es den "ist Zustand" nicht gutheisst oder die Genderrollen in Unordnung bringt? Die Folgende "Vita" ist solch ein Text. Sie beschreibt das, was eigentlich nicht hätte sein sollen, schon gar nicht in einer Gesellschaft, wo Frauen (und Kinder) sich dem Willen der Männer fügen sollen.
Carlos Ferrer,
Dorothea Braun, geborene Baumgartner
am 11. September
während den „» Weissen Jahren“ in Berlin,
die älteste von vier Geschwistern.

Ihre Eltern, Rosa und Kurt,
kleinbürgerliche Kaufleute,
wurden im Laufe der dreissiger Jahren
aus der Stadt getrieben,
der Laden beschlagnahmt.

Im bäuerlichen Schwarzeck
fing das Leben wieder an.

Mutig und frech
gab sie dem übergriffigen Lehrer 
einen wohlverdienten Tritt;
riss die Haustür auf als die Beamten kamen
um die „» nicht lebenswürdige" Schwester zu holen;
widersetzte sie sich der Familie 
und Kirche 
und heiratete den Freund ihres Vaters, 
einen Protestanten!

Sie machte Karriere 
und eigenes Geld,
bekam eine Tochter 
und einen zweiten Mann,
zwei Enkel 
und eine zugelaufene Katze.
Den Schwiegersohn 
kann sie bis heute nicht leiden.

Sie mag die Kälte 
und liebt die Berge,
meidet Desserts 
und Leute die nichts Gutes
zu sagen haben.

Sie hätte fügsamer werden können 
und braver,
die weiblichen Tugenden 
pflegend.

Die Schwester jedoch, 
verdankt ihrer Frechheit das Leben.
Wir freuen uns auf den ersten Beitrag.
Bereitgestellt: 29.06.2021     Besuche: 23 Monat 
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