Carlos Ferrer

Schlimmes I

Regenbogen und Tauben: Von Flickr unter CC Lizenz, https://www.flickr.com/photos/pink_dispatcher/293252447/ (Foto: Bernd Sieker)

Zu viel des Guten ist zuviel. Zuviel Salz ruiniert die Speise. Zuviel Licht und wir werden geblendet. Zuviel Ordnung und wir töten die Initiative. Zuviel Regeln und wir lassen keinen Platz für Freiheit oder Entwicklung.

Unter dem Titel des Schlimmen schauen wir uns Texte an, die schlimmes in der Kirche bewirkt haben und immer noch schlimmes bewirken.
Carlos Ferrer,
Wir lesen den Text des » 1. Kor. 6. Kontext ist die Streiterei unter Christen in der Griechischen Hafenstadt Korinth zu Zeiten Pauls, der dort die christliche Kirche gegründet hat. Die Leute streiten sich und ziehen einander vor Gericht, vor die Heiden, um dort einen Vorteil oder Gerechtigkeit zu bekommen. Das geht gar nicht, sagt Paulus ... dann geht er weiter, packt den Bullen bei den Hörnern, so zu sagen:

9Ihr müsst doch wissen: Wer Unrecht tut, wird keinen Anteil an Gottes Reich erben.

So weit, so gut, Paulus. Recht und Unrecht ist klar definiert. Unterdrückte zu ihrem Recht kommen lassen. Witwen nicht alleine lassen. Ausländer und Gäste nicht ausbeuten, so gemäss den Weisungen und den Propheten im Alten Testament. Paulus geht dann wie ein Rabbi (oder Priester) vor. Er wird konkret. Er muss den Lesern seiner Briefe, die zum Teil einer anderen Religion zugehört haben, den Weg des von Jesus geprägten Judentums für die Völker (a.k.a. Christentum) deutlich machen. Paulus schrieb u.A.:

Täuscht euch nicht! Das betrifft Menschen, die verbotene sexuelle Beziehungen haben, die Götzen dienen oder die Ehe brechen. Das betrifft auch junge Männer, die sich älteren anbieten, oder Männer, die mit Männern schlafen.10Und das betrifft Diebe, Habgierige, Trinker und Menschen, die andere verleumden oder berauben. Sie alle werden keinen Anteil am Reich Gottes erben.

11Manche von euch gehörten früher dazu. Aber ihr seid reingewaschen worden. Ihr seid zu Heiligen geworden und von Gott als gerecht anerkannt. Denn ihr seid im Namen unseres Herrn Jesus Christus getauft –und habt den Geist unseres Gottes empfangen.

12Ihr sagt: »Ich darf alles!« –Aber das heißt doch nicht, dass auch alles gut für euch ist. Ihr sagt: »Ich darf alles!« –Aber das bedeutet doch nicht, dass euch irgendetwas beherrschen soll ... 19Wisst ihr das etwa nicht: Euer Leib ist ein Tempel des Heiligen Geistes, der in euch wirkt. Gott hat ihn euch geschenkt! Nun gehört ihr nicht mehr euch selbst.20Gott hat euch zu einem hohen Preis freigekauft. Sorgt also dafür, dass euer Leib Gott Ehre erweist! 1. Kor. 6


Wir sind auf unebenen Boden angelangt. Wir sind da, wo sich Christen seit eh und je für eine ganz bestimmte Moral in Fragen der Sexualität, dem Miteinander der Geschlechter, der Familienmitglieder, der Menschen in der Gesellschaft und der Befriedigung der Bedürfnisse der Einzelnen. Die Wörter kennen wir. Sie sagen uns etwas. Aber die Hintergründe sind längst vergessen. Die Relationen, die diese Wörter beschreiben sind längst andere geworden und so müssen wir sorgfältig lesen und deuten, um keine Fehlurteile zu fällen.

Fangen wir hinten an, euer Leib ist ein Tempel Gottes. Das will heissen, missbrauche deinen Körper nicht. Missbrauche auch nicht den Körper anderer. Verbotene und auf Macht oder Reichtum abhängige Beziehungen sind solcher Missbrauch. Das heisst, alles was nicht auf Augenhöhe beruht ist pervers.

Dann kommen wir zur Prostitution, von der ich aus Paulus' Text nicht gelesen habe, aber erwähnt ist. Kurz, er ist dagegen. Auch heute noch ein heikles Thema, besonders wg. der Zwangsprostitution, die nichts anderes als moderne Sklaverei ist. Auch die gab es damals schon, die Sklaverei und die Zwangsprostitution, auch im religiösen Bereich. Da, wo Fruchtbarkeit gefeiert wurde, Venus, Artemis u.s.w., da wurden Menschen in den Tempeln prostituiert. Dies galt als normal, als Gottesdienst. Solch eine Art der Anbetung, wir können es auch Sakrament nennen. Paulus macht klar, sie ist mit Anbetung Jesu Christi nicht kompatibel.

Kommen wir zu den Beziehungen von jungen Männern und Knaben mit älteren und reicheren Männern. Dies war bekannt in einer Welt, wo Frauen nicht nur untergeordnet sondern auch nicht "salonfähig" waren, z.B. in » philosophischen Symposien (also gescheites Trinkgelage!). Da kommen Texte in den Sinn, die von den Gesprächen Sokrates erzählen, die in solchen Zusammenkünften stattfanden erzählen. Sie gehören zur gymnasialen Lektüre in den Grundkursen der Philosophie. Wunderbare Berichte von Dialogen zwischen Menschen die den Sinn des Lebens und der Pflicht erkundeten. Alles Männer. Keine Frau dabei. Die fanden, einige von ihnen, Zuflucht und Platz auf der » Insel Lesbos. Was aus ihnen wurde, oder den Einsichten die sie gewannen ist eine andere Geschichte.

Paulus häufte jedenfalls all dies Griechisch-Römische zusammen mit den Unehrlichkeiten, Raub, Totschlag, Verleumden, Habgier und Trinken. Es wird verwerflich und zu "no-go areas" für Christen. Mit anderen Worten, es geht hier nicht um einzelne Misstände sondern darum, klar zu sagen, wie Christ_innen in dieser Welt mit anderen Menschen zu leben hat. Also weder so wie die Römisch-Griechische Oberschicht noch so wie die grosse Allgemeinheit. Positiv gesagt:

Wir nehmen einander auf Augenhöhe an
Wir kümmern uns um einander
Wir respektieren einander Körper und Integrität
Wir beschützen einander Eigentum und Ruf
Wir würdigen einander Familie
Wir pflegen die Integrität unserer Person

Es ist eigentlich ganz, ganz einfach. Kirche soll da sein für alle Menschen. Wir aber installieren Türen, Schlösser und Schwellen. Bänke vorne für den Adel und hinten für die Allgemeinheit. Wir lassen gleichgesinnte eintreten und Andersdenkende und Anderslebende schliessen wir aus. Was Jesus es nie und nimmer tat. Er suchte die komischen, brüchigen, an die Grenze gedrückten auf und machte sie zu seinen Freundinnen und Freunden. Das bedeutet, wir begegnen allen Menschen auf Augenhöhe. Das ist der Kern unserer Religion, auch wenn wir es schwer finden ihn umzusetzen.
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