Kerzen, Tischtuch, festliches Essen und Mensch, was sind die Kinder gross geworden… Familie – das sind Festtage, Kaffeetafel zum rundem Geburtstag mit Grosstante und Cousins.
Morgens früh halbwach und verstrubbelt, Kaffee – Müsli – Znüni-Box – Familie – Familie, das ist miteinander den Alltag teilen und managen.
Spielzeug im Wohnzimmer, Teenie-Parties, Unordnung und Putzplan, diskutieren, streiten und sich versöhnen.
Kinder ins Bett bringen, kuscheln und umarmen.
Gemeinsame Ferien, Verwandte besuchen und Freunde einladen.
Erwachsene Kinder, pflegebedürftige Eltern – einander unterstüt-zen und loslassen … Familie bedeutet so vieles / umfasst so vieles.
Pfrn. Dietlind Mus,
Und Kirche / Kirchgemeinde – als Familie unserer Wahl.
Was kann, was soll sie alles umfassen?
Nun: Davon können Sie, liebe Gemeinde, lesen im
» Brief von Carlos an Sie alle… als eine Art Vision fürs gemeinsame Wirken in der kommenden Zeit.
Doch gehen wir nun in dieser Feier heute zunächst ins Gespräch mit der Bibel und hören wir wie Jesus reagiert, als er auf seine Familie angesprochen wird.
Lesung (Lektor Fritz Suter)
Matthäusevangelium, 12, 46 – 50
Während Jesus noch mit den Leuten redete, da standen seine Mutter und seine Geschwister draussen und wollten mit ihm reden. Da sagte jemand zu Jesus: Schau, deine Mutter und deine Geschwister stehen draussen und wollen mit dir reden. Jesus aber entgegnete dem, der ihm das gesagt hatte: Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Geschwister? Und er wies mit der Hand auf seine Jünger und sprach: Das hier ist meine Mutter, und das sind meine Brüder und Schwestern! Denn wer den Willen meines Vaters im Himmel tut, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter.
Predigt « Kirche als Familie – unserer Wahl», darin verschiedene kurze biblische Lesungen jeweils aus der Gemeinde hereingerufen
Szene 1: In die Familie hineingeboren
„Jööööh, wie herzig, Eures Baby. En Bueb, han ich recht? Ja, me gseht’s, ganz dr Vater…“
Jede und jeder von uns ist eine Familie hineingeboren worden. Da haben wir keine Wahl. Ob hier in der Schweiz oder am anderen Ende der Welt … Ob ältestes, erstgeborenes Kind oder das Nesthäkchen. Ob wir Liebe erfahren und ob wir uns entfalten dürfen oder ob wir mit Kälte, Strenge gross werden.
So vieles an unserer Familie prägt unser Leben.
Auch die Familiengeschichte. Dass wir in einer Reihe stehen, manche Tradition unbewusst weiterführen.
Spannend, dass die Bibel drum auch Jesus in eine solche lange Familien-tradition stellt.
Biblischer Zwischenruf: Stammbaum Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams: Abraham zeugte Isaak, Isaak zeugte Jakob, Jakob zeugte Juda und seine Brüder.3Juda zeugte Perez und Serach mit Tamar, Perez zeugte Hezron, Hezron zeugte Ram,4Ram zeugte Am-minadab, Amminadab zeugte Nachschon, Nachschon zeugte Salmon, 5Salmon zeugte Boas mit Rachab, Boas zeugte Obed mit Rut.
Und so weiter … Aber spannend: Bewusst wird die Ausländerin Rut er-wähnt und auch Rahab, die andernorts als Hure bezeichnet wird. Ist doch interessant, wie es im Stammbaum Jesu so menschelt. Als wenn Gott bewusst im Unperfekten, Schrägen aufleuchten will. Gott lässt Liebe und Hoffnung und Erlösung auf dem Boden von familiärem Humus zur Welt kommen.
Szene 2: Familien-Realität
„25. Dezember, 1. Weihnachtstag, morgens im Zug in die Grossstadt sitzt eine 12-Jährige, allein unterwegs. Umsteigen im wuseligen grossen Bahn-hof, dann noch ein Stück mit dem Regionalzug und dann wird der Vater sie abholen. Dann wird sie nochmal Geschenke auspacken, mit den Stiefgeschwistern spielen, Essen gehen, Familien-Weihnacht eben. Zum Glück versteht sie sich mit allen halbwegs gut. Nur Mutter und Vater reden halt kein Wort mehr miteinander.“
Wechsel im Familienleben sind Realität. Wer ist meine Familie, wer sind meine Geschwister? Die Frage Jesu aus der Lesung vorhin, die ist aktuell – für viele von uns.
Und auch: Familie und Harmonie – diese Gleichung geht nicht auf. Übrigens ist auch keine von den Familiengeschichten der Bibel harmlos harmonisch und keine ist schmerzfrei. Die allererste Familie in der Bibel ist wohl das krasseste Beispiel dafür.
Biblischer Zwischenruf: Der Herr aber sprach zu Kain: Warum bist du zornig, und warum ist dein Blick gesenkt?
In der Familie können die heftigsten Verletzungen passieren. Grad in unserer Familie, wo wir einander nahe sind, da können drum so richtig die Fetzen fliegen. Und Du, Carlos, sprichst von Kirche als Familie… Ganz schön mutig…
Szene 3: Kirche als Familie?
„Streit? – Nein, wir haben Frieden hier. Unsere Sitzungen, weisst Du, die sind harmonisch. Da müssen wir auch dann gar nicht mehr abstimmen, wenn alle nicken und einer Meinung sind.“
Naja…. Um des lieben Friedens Wille –Stillhalten, unterschwellige Konflikte lieber unterm Teppich halten. Ich fürchte dafür sind grad Kirchgemeinden durchaus anfällig.
Doch: Jesu Botschaft war nicht: Folgt mir nach, und ihr werdet immerzu freundlich sein, niemals Streit untereinander haben, jeden Abend von jemandem aus der Gemeinde bekocht werden und – ach ja, jede Woche im Lotto gewinnen… rundrum Friede, Freude, Eierkuchen.
So wie ich Dich, Carlos, kennen gelernt habe, Deine kritische Sicht, Dein Hochhalten von Menschenrechten – so weiss ich, dass Du mit dem Motto: „Kirche als Familie - unserer Wahl“ uns eben kein naives Pseudo-Idealbild ausmalen möchtest. Sondern: Lebendige Familie, wo man einander auf Augenhöhe begegnet. Wo Herzlichkeit mit Respekt zusammengeht, oder anders gesagt wo Freiheit /Autonomie des einzelnen in einer Balance sind mit Gemeinschaftsinn und Eingebundensein. Lesen Sie dazu mehr in
» Carlos Brief…
In allen vier Evangelien ist spürbar - wie haben es vorhin gehört - dass Jesus seiner leiblichen Familie in seinem irdischen Leben wohl kritisch gegenüberstand. Und dennoch spricht Jesus von seiner und unserer Gottesbeziehung in Bildern der Familie, nämlich als Kinder Gottes, und lebt auch mit seiner Jüngergemeinschaft als eine Art Familie.
Biblischer Zwischenruf: Denn ihr seid alle Söhne und Töchter Gottes durch den Glauben in Christus Jesus.
Aber, Moment mal, dann ist es gar nicht so ganz unsere Wahl, oder… –Als Söhne und Töchter sind wir ja sozusagen von Gott gewählt als seine bunt zusammengewürfelte Wahl-Familie.
Szene 4: Gott wählt uns als seine Familie
«Schauen Sie sich um, rechts, links von ihnen, vorn, hinten – ja, da sitzen Ihre Familien-Mitglieder… aus Sicht des Neuen Testaments. Nämlich Menschen, die wir alle Gottes Kinder sind. Geliebt und mit besonderer-Würde.»
Und dann kommt da einer daher, Informatiklehrer, Barista, Island-Guide und Pfarrer, wie wir kürzlich lesen konnten in der Zeitung. Vater aus der Karibik, Mutter aus Deutschland, aufgewachsen in Island, aus dem Elsass in die Schweiz gekommen… und gehört jetzt auch zur Familie. Nämlich als ein super Farbtupfer in der Kirchen-Familie hier vor Ort im Wasseramt.
Kirche als Familie –unserer Wahl und auch aus Gottes Wahl, nämlich un-verfügbar, auf unterschiedlichsten Lebenswegen zusammengeführt.
Kirche als Familie – wo man Begegnungen erfahren kann, mit Gott und mit Menschen, Begegnungen, die einen berühren. Kirche als Familie, wo wir uns auf Irritierendes einlassen und Wachstum und Entwicklung geschieht.
Biblischer Zwischenruf: Ihr Lieben, wenn Gott uns so geliebt hat, sind auch wir verpflichtet, einander zu lieben.
Verpflichtet … Hm, die Verpflichtungen, die kommen dann nachher bei der formellen Einsetzung noch.
Doch, Sie kennen vermutlich den Spruch, liebe Gemeinde: Jesus predigte das Reich Gottes, die Liebe Gottes, und was kam war die Kirche.
Eigentlich ist es völlig verrückt, echt neben den Schuhen, diese Verpflichtungen einer Amtseinsetzung und eine Institution wie Kirchgemeinde und Kirche gründen zu wollen auf der Botschaft Jesu und der Sprengkraft der Liebe Gottes. Und dennoch halten wir Christen genau an dieser Unmöglichkeit fest.
Weil Gott uns dazu wählt. Weil Gott uns unterbricht im Alltagstrott: He, es könnte auch anders sein. Weil Gott uns entgegenkommt und uns erfüllt mit Liebe und damit angenommen zu sein als seine geliebten Familienmitglieder. Amen
Predigt zur Amtseinsetzung von Pfr. Carlos Ferrer am 2. März 2024 im Pfarrkreis Zuchwil.